Arbeit

 

 

Sie säen nicht, sie ernten nicht, und Gott ernähret sie doch

 

 

 

 

 

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Peter Thiel - Systemischer Berater und Therapeut (DGSF

22.03.2018

 

 

 

 

 

 

Schlüsselwörter:  

Arbeit, Arbeitsamt, Arbeitslosigkeit, Arbeitstier, Burnout-Syndrom, Erwerbsarbeit, Hamsterrad, Hausarbeit, Hedonismus, Langeweile, Müßiggang, Sinn, Sozialkontakte, SPD, Surrogat, Tretmühle

 

 

 

 

 

 

 

Ein kleiner Hafen in Mexiko um 11:00 Uhr.

Ein Fischer sitzt unter seinem Sombrero entspannt und friedlich in seinem Boot und schaut aufs Wasser.

Da schlendert ein Tourist herüber und spricht den Mexikaner an.

Er fragt: "Musst du tagsüber nicht arbeiten?"

Da antwortet der Fischer: "Warum sollte ich?"

"Damit du noch mehr Fische fangen kannst."

"Wozu soll das gut sein?"

"Na dann kannst du mehr Geld verdienen."

"Und wozu das?"

"Wenn du mehr Geld hast, brauchst du nicht mehr so viel arbeiten und kannst mal frei machen und hättest Zeit, dich mal richtig zu entspannen."

(Frei nach Heinrich Böll)

 

 

 

 

 

 

Ora et labora - bete und arbeite

Arbeit, Arbeit, Arbeit, so der gebetsmühlenartig wiederkehrende altbackene Wahlslogan der SPD, die dem 19. Jahrhundert nicht entwachsen sind. Dabei hätten die SPD-Oberen schon bei Karl Marx erfahren können, dass das Leben wesentlich bunter sein kann, als jeden Tag um 6 Uhr aufzustehen und den Gang in die Knochenmühle anzutreten. 

 

"Der Arbeiter fühlt sich daher erst außer der Arbeit bei sich und in der Arbeit außer sich. Zu Hause ist er, wenn er nicht arbeitet, und wenn er arbeitet ist er nicht zu Haus. Seine Arbeit ist daher auch nicht freiwillig, sondern gezwungen, Zwangsarbeit. Sie ist daher nicht die Befriedigung eines Bedürfnisses, sondern sie ist nur ein Mittel, um Bedürfnisse außer ihr zu befriedigen."

Karl Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, 1844 

 

 

Die anderen ebenfalls traditionell arbeitsfixierten Parteien von links bis rechts, stehen der vorgestrigen Art der SPD jedoch nicht viel nach. In Bezug auf die Zwangsarbeitsfixierung scheint es sogar eine gewisse geistige Verwandtschaft der heutigen Parteien zu den Nationalsozialisten zu geben, die über das Eingangstor der von ihnen angelegten Konzentrationslager schrieben: "Arbeit macht frei". Frei gekommen ist durch die Zwangsarbeit der Nazis jedoch wohl kaum jemand. Das Ende der Zwangsarbeit war in der Regel nur im Tod zu haben.

 

Unseren heutigen, Gott sei Dank demokratischen, aber dennoch in Arbeitsschablonen des 19. Jahrhunderts verfangenen Parteien, fällt denn in wirtschaftlich schwierig erscheinenden Zeiten auch nicht viel anderes ein, als die Arbeitszeiten verlängern zu wollen und die Steuern zu erhöhen. Dies allein den Parteien anzulasten, wäre einäugig, denn frei nach Friedrich Engels Ausspruch:

 

"Die damaligen Preußen hatten die Regierung, die sie verdienten." Friedrich Engels mit Blick auf die Zeit von Hegel und danach. in MEW 21 S. 266

 

lässt sich sagen:  Jedes Volk bekommt die Regierung, die es verdient. Die Kritik geht daher auch an die Menschen, die immer wieder die selben langweiligen Parteien - von denen keine wesentlichen Innovationen kommen - in den Bundestag wählen, über die sie sich dann nach der Wahl beschweren.

 

Warum arbeiten wir eigentlich so viel und sind ganz deprimiert, wenn wir dies aus verschiedensten Gründen nicht mehr können? Neben der tatsächlichen sinnerfüllten Bedeutung die Arbeit für den Menschen hat (Wunsch nach Tätigsein, nützlich sein, Geld verdienen) erfüllt "Arbeit" auch viele Ersatzfunktionen, die besser an anderer Stelle oder anders zu leisten wären. So kann Arbeit eine Droge sein, ein Fluchtmechanismus, eine Manie, ein Versuch eine Identität für sich zu konstruieren. Arbeit stellt oft ein Surrogat für befriedigende Sozialkontakte dar, die außerhalb der Arbeit nicht gelingen. Arbeit ist oft nicht Mittel zum Zweck, sondern der Zweck an sich. Kein Wunder, dass gerade Männer, die ihren Wert und ihr Leben oft ausschließlich über Arbeit, Einkommen und Status definieren, ins Bodenlose zu stürzen meinen, wenn sie arbeitslos werden.

Menschen langweilen sich häufig oder fühlen sich einsam. Aus dem Wunsch nach Abwechslung oder nach Kontakt mit anderen Menschen, kann der Wunsch nach Arbeit - als einer gesellschaftlich anerkannten Form zwischenmenschlichen Kontakts - erwachsen. Eigentlich könnte man auch losgehen und sich ins nächste Straßencafe setzen und mit anderen Menschen auf der Straße in Kontakt treten. Doch die vorherrschende deutsche Kultur hat uns oft zu Arbeitsbienen und kontaktscheuen Menschen erzogen, so dass sich sogar manche vor lauter Einsamkeit gelegentlich das Leben nehmen, weil sie nicht wissen, wie sie mit anderen Menschen einen befriedigenden Kontakt herstellen und ihrem Leben außerhalb der Regeln der Arbeitsgesellschaft einen Sinn verleihen können.

Wer Erwerbsarbeit hat, der gehört dazu und sei die Arbeit auch noch so stupide, sinnentleert oder ethisch fragwürdig. Der Mann, der in einem bayerischen Rüstungsunternehmen Minen herstellt, die in Dritte-Welt-Staaten exportiert werden oder auf Umwegen dorthin gelangen, der Chemielehrer, der seinen  uninteressierten, teils verhaltensgestörten Schüler/innen etwas über die anorganischen Stoffe erzählt, der Besitzer eines Spielsalons, der Henker in einem US-amerikanischen Todestrakt, der 70-Stunden-Manager, sie alle arbeiten, zwanghaft und/oder abgespalten, und weit davon entfernt, Arbeit als bereicherndes Element ihres Seins in der Welt zu erleben.

Männer haben ein besonders schwieriges Verhältnis zur Erwerbsarbeit, sie dient häufig als einzige sinn- und identitätsstiftende Form des In-der-Welt sein. Von daher kann es nicht verwundern, dass Männer von Arbeitslosigkeit häufig existenzieller betroffen sind als Frauen. Die Arbeitslosigkeit führt bei Männern häufig direkt in die psychische Krise.  Männer haben, im Gegensatz zu Frauen, ihre sozialen Kontakte häufig nur über die Erwerbsarbeit hergestellt, mit der eintretenden Arbeitslosigkeit fallen diese sozialen Kontakte abrupt weg. Mit der Arbeitslosigkeit treten Einkommensverluste ein. Dies ist für den Mann unmittelbar mit Statusverlust verbunden und führt zum Ausbruch von latenten Minderwertigkeitsgefühlen. 

Der traditionelle Mann reagiert traditionell, so wie die SPD zu jeder Bundestagswahl. Sich auf neue Wege zu begeben, weg von der Eindimensionalität und der Zwanghaftigkeit des traditionellen Arbeitsmannes, ruft Angst hervor, einem Gefühl das den traditionelle Mann zu überschwemmen droht. Dass der Mann dann zu ihm bekannten traditionellen "Heilmittel" wie den Alkohol greift, liegt  nahe.

 

 

 

die heinzelmännchen von köln

 

wie war zu köln es doch vordem

mit heinzelmännchen so bequem!

denn, war man faul, - man legte sich

hin auf die bank und pflegte sich!

 

 

da kamen bei nacht,

eh` man`s gedacht,

die männlein und schwärmten

und klappten und lärmten

und rupften und zupften

und hüpften und trabten

und putzten und schabten,

und eh` ein faulpelz noch erwacht`,

war all sein tagewerk bereits gemacht!

 

 

die zimmerleute streckten sich

hin auf die spän` und reckten sich.

indessen kam die geisterschar

und sah, was da zu zimmern war.

nahm meißel und beil

und die säg` in eil;

sie sägten und stachen

und hieben und brachen,

berappten und kappten,

visierten wie falken

und setzten die balken.

eh` sich`s der zimmermann versah,

klapp, stand das ganze haus

schon fertig da!

 

 

beim bäckermeister war nicht not,

die heinzelmännchen backten brot.

die faulen burschen legten sich,

die heinzelmännchen regten sich;

und ächzten daher

mit den säcken schwer!

und kneteten tüchtig

und wogen es richtig

und hoben und schoben

und fegten und backten

und klopften und hackten.

die burschen schnarchten noch im chor:

da rückte schon das brot, das neue, vor!

 

 

beim fleischer ging es just so zu:

gesell und bursche lagen in ruh`.

indessen kamen die männlein her

und hackten das schwein

die kreuz und die quer`.

das ging so geschwind

wie die mühl` im wind!

die klappten mit beilen,

die schnitzten an speilen,

die spülten, die wühlten

und mengten und mischten

und stopften und wischten.

tat der gesell die augen auf,

wapp, hing die wurst

da im ausverkauf!

 

 

beim schenken war es so: es trank

der küfer, bis er niedersank.

am hohlen fasse schlief er ein,

die männlein sorgten um den wein

und schwefelten fein alle fässer ein -

und rollten und hoben

mit winden und kloben

und schwenkten und senkten

und gossen und pantschten

und mengten und manschten.

und eh` der küfer noch erwacht`,

war schon der wein

geschönt und fein gemacht!

 

einst hatt` ein schneider große pein,

der staatsrock sollte fertig sein;

warf hin das zeug und legte sich

hin auf das ohr und pflegte sich.

da schlüpften sie frisch an den schneidertisch

und schnitten und rückten

und nähten und stickten

und fassten und passten

und strichen und guckten

und zupften und ruckten.

und eh` mein schneiderlein erwacht`:

war bürgermeisters rock

bereits gemacht!

 

neugierig war des schneiders weib

und macht` sich diesen zeitvertreib:

streut erbsen hin die andre nacht.

die heinzelmännchen kommen sacht;

eins fährt nun aus, schlägt hin im haus,

die gleiten von stufen und plumsen in kufen,

die fallen mit schallen,

die lärmen und schreien

und vermaledeien!

sie springt hinunter auf den schall

mit licht: husch, husch, husch -

verschwinden all!

 

o weh, nun sind sie alle fort

und keines ist mehr hier am ort!

man kann nicht mehr wie sonst sich ruhn,

man muss nun alles selber tun!

ein jeder muss fein

selbst fleißig sein

und kratzen und schaben

und rennen und traben

und schniegeln und biegeln

und klopfen und hacken

und kochen und backen.

ach, dass es doch wie damals wär`!

doch kommt die schöne zeit

nicht wieder her!

 

 

 

die heinzelmännchen-sage

anno 1836 widmete der breslauer august kopisch den kölnern dieses gedicht. kopisch selbst war zwar wohl nie in köln und sein gedicht ist wohl über tausend umwege nach köln gekommen. bei dieser geschichte handelt es sich letztlich um eine herbe kritik der preußen an den in den tag hinein lebenden rheinländern. 

 

 

 

Nun könnte man annehmen, dass wenigstens die neuen sozialen Bewegungen frischen Wind in die abgestandene Arbeitsbrühe pusten. Doch selbst die Protagonisten neuer Wege, laufen bisweilen in ausgelatschten hundertjährigen Schuhen. So z.B. der am 9.6.2000 im Alter von nur 62 Jahren plötzlich und unerwartet verstorbene Wilfried Wieck, der in den 80-er und 90-er Jahren mit seinen Büchern "Männer lassen lieben" und "Wenn Männer lieben lernen", die Männer wachrütteln und in der Art eines Missionars auf den rechten Weg weisen wollte. 

In dem von Wiecks Lebensgefährtin Irmgard Hülsemann nach Wiecks Tod in dem Buch "Zwischen Sehnsucht und Erstarrung. Die Erotik des Mannes", 2002 Kreuz-Verlag, auf den Weg gebrachten Veröffentlichung nachgelassener Schriften von Wilfried Wiek, lesen wir:

 

"Ziel für jeden Mann muss sein, dass aus seiner Sehn-Sucht ein produktives Sehnen wird. Männer müssen beginnen, Männerfeindlichkeit und weibliche Herrschsucht in Beziehungen nicht mehr zu dulden. sie müssen für sich selbst die Verantwortung übernehmen, ..." (S. 113)

"Eifersucht, darüber sollten sich Partner klar sein, ist in einer Beziehung meist ein schwer wiegendendes Problem." (S. 216)

 

 

"muss sein", "müssen beginnen", "müssen für sich selbst", "darüber sollten sich Partner klar sein", das klingt nun alles ganz schön anstrengend, so dass man sich fragen kann, ob Wieck nicht zeitlebens unter einem inneren Zwang immer zu "müssen" gestanden hat, so wie das ja auch vielen Männern beim Sex geht, der für sie nicht eine Form von Genuss, sondern nur eine gesellschaftlich hoch bewertete Art von Zwangsarbeit zu sein scheint. Gut möglich, dass sich Dr. Dr. Wilfried Wieck, wie er auf Seite 15 vorgestellt wird, deswegen auch mit der Anstrengung und Zumutung in der modernen Gesellschaft Mann sein zu müssen, so engagiert auseinander gesetzt hat. Doch nicht alles gute Wollen endet schließlich auch im guten Sein, auch wenn der Kreuz Verlag im Klappentext behauptet, "Das vorliegende Buch lässt keinen Stein der patriarchalen Sex-Ordnung auf dem anderen". 

Irmgard Hülsemann scheint da etwas resignativer, wenn sie sich fragt: "Macht es Sinn, ein weiteres Buch über Sexualität zu schreiben?" (s. 9).

Uns fällt dazu ein Spruch aus frühen Jugendjahren ein:

"Wozu neue Bücher schreiben, wenn so viele ungelesen bleiben."

 

Wir haben Wieks schriftliche Hinterlassenschaft wenigstens überflogen. Der große Wurf ist es ganz sicher nicht, aber die eine oder andere Anregung kann man doch finden. 

 

 

 

 

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-----Ursprüngliche Nachricht-----

Von: ...

Gesendet: Sonntag, 26. September 2010 20:35

An: info@maennerberatung.de

Betreff: Anfrage

 

Sehr geehrter Herr Thiel,

 

schön, dass es eine solche Beratungsmöglichkeit gibt, vielen Dank dafür!

 

Ich habe mich vor ca. vier Monaten in einen sehr dynamischen Mann verliebt, der beruflich äußerst erfolgreich und als Geschäftsmann stadtbekannt ist, jede Menge um die Ohren hat und eigentlich als Workaholic zu bezeichnen ist. Unsere Begegnung glich der Erkenntnis einer Seelenverwandtschaft, himmelhochjauchzend, und er behauptete, endlich im Leben angekommen zu sein und nun seine Erfüllung gefunden zu haben. So verliefen die ersten Wochen mit tausenden von Schmeicheleien und Liebesbekundungen – ich sei ob meiner Wärme, Schönheit, Sensibilität, Intelligenz usw. einfach die Frau, die er über alles lieben würde – überhaupt sei er das erste Mal im Leben verliebt, alle anderen habe er gleich wieder vergessen und seine Frau wohl nur wegen der Kinder oder wegen finanzieller oder materieller Werte geheiratet….

 

Es gab und gibt zwischen uns ein großes Problem: Er hat nie Zeit, allerhöchstens mal auf eine halbe Stunde, in der natürlich keine Nähe entstehen kann (die ihm aber angeblich so wichtig ist), und so ist noch nie ein Intimkontakt zustande gekommen, denn es heißt dann immer: „Schatz, wir müssen aufhören, ich muss los…“ Er ist noch verheiratet, lebt mit seiner Frau und den beiden 14 und 9jährigen Kindern zusammen, hat aber mit ihr angeblich kein Verhältnis mehr, viel Streit und Ärger und ein sog. „Gentlemen Agreement“, habe sie oft betrogen, aber auch aus solchen Begegnungen sei nie Liebe hervorgegangen. Ich allerdings sei ihm äußerst wichtig, er wolle „alles“ von mir, aber erst, wenn er seine vielen Probleme beruflicher und sonstige Art gelöst hätte. Er liebe mich und ich gehöre ihm! An Scheidung denkt er allerdings nicht, da er befürchtet, seine Frau könne ihm die Kinder entwenden ... .

Immer wieder kommt es zu versuchten Verabredungen zwischen uns, denn er leide wahnsinnig unter der Sehnsucht nach mir und vermisse mich immer, aber sie werden meist allesamt abgesagt, verschoben oder einfach vergessen. Wir telefonieren, schreiben sms, und von meiner Seite kommt halt auch Unzufriedenheit mit der Situation und Verärgerung über solches Verhalten. Das wiederum „verletzt“ ihn dann ungewöhnlich hart, dass er für einige Tage Funkstille hält. Bezeichnend ist, dass er meinen „Problemen“ keine Aufmerksamkeit widmet, sie entweder aus Zeitgründen nicht anhört oder sich einfach nicht darum kümmert, obwohl er es zuvor versprochen hat…. Ich könnte da noch einiges hinzufügen, aber das Bild wird dadurch nicht anders. Wenn ich andeute, die Beziehung zu beenden, klingt von der anderen Seite wieder Verärgerung, großes Leid und die Beschuldigung, ich schreibe verletzende sms, weil nicht alles so liefe, wie ich es mir vorstelle….

In der Tat hat er natürlich auch eine andere und sehr liebebedürftige und auch liebevolle Seele und ist von so vielen Eigenschaften her ein ganz toller Mann – darin habe ich mich verliebt. Aber mit solch einem Verhalten möchte ich nicht leben und ziehe mich zurück – auch wenn es mir sehr weh tut.

 

Ich wüsste gerne, ob eine solche Persönlichkeit zu den narzisstisch gestörten Persönlichkeiten gehört, und ob diese auch ein gestörtes Sexualverhalten haben können, beispielsweise, dass sie im Zuge ihrer Neigung zur Sucht (Workerholic, 60 Zigaretten, 30 Tassen Kaffee, seit fünf Jahren zum Glück ohne Alkohol) einfach impotent werden (er ist 47, hatte aber bereits ein ... problem und eine damit im Zusammenhang stehende schwere ...-OP) und ob es für solche Menschen Hoffnung gibt, vorausgesetzt, sie wollen sich helfen lassen. Wie gesagt, im Grunde ist er ein wirklich wertvoller Mensch, hat enorm viel erreicht, gibt wahnsinnig viel Kraft in Beruf und Projekte und bekommt im Grunde nichts heraus – er nimmt auch nichts, allerdings den Ruhm, das Ansehen und das Gebraucht-werden, was ihn dann wieder nervt…

 

Über eine Antwort würde ich mich freuen und bedanke mich im Voraus!

 

Mit freundlichen Grüßen

...

 

 

 

Hallo Frau ... ,

ich würde nicht von "narzisstisch gestörter Persönlichkeit" reden, aber sicher nennt der Mann, in den Sie sich verliebt haben, eine gehörige Portion Narzissmus sein eigen.

Narzissmus ist aber in meiner Wirklichkeitskonstruktion ebenso wenig eine Krankheit wie Phlegmatismus oder Manie, aber zweifelsohne im Einzelfall schwer zu ertragen. Allerdings sind viele Politiker/innen auch schwer zu ertragen, vom Honecker will ich da gar nicht reden, dennoch würde ich nicht meinen, diese wären krank.

Aber in ihrer beider Fall scheint mir weniger der Narzissmuss das eigentliche Problem zu sein, das einer guten Beziehung im Wege steht, sondern eher die Angst des von Ihnen geliebten Mannes vor Nähe, und sein Unvermögen mal Pause zu machen und den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen.

Die Gründe dafür würde man in einer Therapie schnell rausbekommen können, doch damit wäre es nicht getan, es käme vielmehr darauf an, das Verhalten zu ändern.

Doch warum sollte der von Ihnen geliebte Mann das tun? Es ging doch all die Jahre so la la und es kann doch auch so weitergehen, bis eines Tages der Körper kollabiert oder wie es Udo Lindenberg einmal gesungen hat: Bis der Arsch im Sarge liegt.

Männer wie der von Ihnen geliebte, sind mit Sicherheit nur durch schwere Erschütterungen und Katastrophen von Ihrer vorgezeichneten Bahn abzubringen, aber auch das ist nicht garantiert. So gibt es Hyperaktive, die nach einem schweren Unfall mit einem Rennrad querschnittsgelähmt im Rollstuhl sitzen und als nächstes nichts besseres zu tun haben, als an der Paralympics teilzunehmen.

Das Beharren auf der Fortführung alter Lebensmuster ist mitunter schwer autoaggressiv, bis hin zum Tod, wie es Bertolt Brecht halb ärgerlich, halb resignierend in dem Gedicht "Gleichnis des Buddha vom brennenden Haus" beschrieben hat.

 

 

Neulich sah ich ein Haus. Es brannte. Am Dache

Leckte die Flamme. Ich ging hinein und bemerkte

Daß noch Menschen drin waren. Ich trat in die Tür

und rief ihnen zu, daß Feuer im Dach sei, sie also

auffordernd schnell hinauszugehen. Aber die Leute

Schienen nicht eilig. Einer fragte mich

Während ihm schon die Hitze die Braue versengte

Wie es draußen denn sei, ob es auch nicht regne,

Ob nicht Wind gehe, ob da ein anderes Haus sei

Und so noch einiges. Ohne zu antworten,

Ging ich wieder hinaus. Diese, dachte ich,

Müssen verbrennen, bevor sie aufhören zu fragen.

Wirklich, Freunde, wem der Boden noch nicht

So heiß ist, daß er ihn lieber mit jedem andern

Vertauschte, als daß er dabliebe,

Dem habe ich nichts zu sagen. ...

 

 

 

Korrekterweise muss man sagen, dass auch Brecht ein Workaholic und Getriebener war, wie er selbstreflektierend eingeräumt hat:

 



Ich sitze am Straßenrand

Der Fahrer wechselt das Rad.

Ich bin nicht gerne, wo ich herkomme.

Ich bin nicht gerne, wo ich hinfahre.

Warum sehe ich den Radwechsel 

Mit Ungeduld? 


Bertolt Brecht

 

 

 

Kein Wunder, dass es Brecht mit 57 Jahren dahingerafft hat, kein Mensch hält ein solches Tempo auf Dauer durch.

 

Was bleibt da noch zu sagen? Vielleicht mit Udo & Jenny Jürgens - Ich wünsch dir Liebe ohne Leiden 1984

http://www.youtube.com/watch?v=zytpHl7Q5cA

 

 

 

Halten Sie nicht fest, was nicht festzuhalten ist und halten Sie fest, was gehalten werden will.

Oder wie es auch heißt:

 

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,

den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,

und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

 

 

 

Lieber Gruß

 

 

Peter Thiel

 

 

 

 

-----Ursprüngliche Nachricht-----

Von: ...

Gesendet: Freitag, 1. Oktober 2010 10:48

An: info@maennerberatung.de

Betreff: AW: Anfrage

 

Sehr geehrter Herr Thiel,

herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort - das Näheproblem trifft den Kern. Den ersten Zusammenbruch hatte er Anfang des Jahres: Fettleber, Darmstörungen, OP an Magen und Darm... aber er macht weiter - autoaggressiv, 60 Zigaretten, 30 Tassen Kaffee, Tabletten gegen Schmerzen und Sodbrennen.... Eigentlich bedauernswert.

Ihre Gleichnisse tun gut, auch die Haltung, nicht festzuhalten an jemandem, der nicht festgehalten werden will... So bleibt zu ergründen, warum ich glaube, mit Liebe heilen zu können - was sicher geht, aber vor dem Können kommt das Wollen - von beiden Seiten.

Vielen Dank noch einmal und herzliche Grüße

...

 

 

Hallo Frau ... ,

 

vor der Liebe kommt oft die Wut oder der Hass. Dies muss man als Gegenüber dann auch aushalten können.

Erst wenn Wut oder Hass sich zeigen dürfen, kann die Liebe in ihrem reinen Gewand erscheinen. Gut möglich, dass dies den Rahmen ihrer Beziehungen sprengen würde. Von daher könnte man auch verstehen, wenn sich Ihr Gegenüber einer solchen existenziellen Begegnung nicht stellen will. Vielleicht auch aus der nicht ganz unbegründeten Angst, dass es dann zu einer nicht mehr zu regulierenden Eskalation der Gefühle käme

 

Von daher, anschauen was ist, verändern, was zu verändern ist und akzeptieren, was sich einer Veränderung hartnäckig widersetzt. Retten müssen Sie niemanden gegen dessen Willen.

 

Gruß Peter Thiel

 

 

 

 

-----Ursprüngliche Nachricht-----

Von:

Gesendet: Donnerstag, 7. Oktober 2010 19:21

An: info@maennerberatung.de

Betreff: AW: Anfrage

 

Hallo Herr Thiel,

danke, Sie haben ein großes Feingefühl und können zwischen den Zeilen lesen. Nein, retten muss ich niemanden, ich will aber mich retten, falls das nötig ist, da ich nicht die Therapeutin oder die Mutter Courage spielen möchte. Dennoch, der Mann mit seinen Ängsten vor Nähe, mit seinen Verletzlichkeiten und seinen teilweise manischen und teilweise auch depressiven Phasen hat in seinen guten Zeiten genau das, was mich anspricht. So werde ich sehen, wie ich Ihren letzten Abschnitt realisieren kann - immerhin akzeptiert er meine Wut über seine Art oft genug. Wir werden sehen.

Tausend Dank für Ihre Einlassung - es tut sehr gut, und Sie verstehen Ihr Handwerk! Beste Grüße!

...

 

 

 

 

Hallo Frau ... ,

 

Danke für das Kompliment.

Beste Grüße

 

Peter Thiel

 

 

 

 

Am 11.11.2011 um 18:31 schrieb "maennerberatung" <info@maennerberatung.de>:

 

Hallo Frau ...,

sicher hat sich inzwischen schon einiges zum Guten verändert.

 

Gruß Peter Thiel

 

 

 

-----Original Message-----

From: ...

Sent: Friday, November 11, 2011 11:49 PM

To: <info@maennerberatung.de>

Subject: Re: Anfrage

 

Hallo Herr Thiel,

Sie müssen ein außergewöhnlicher Mensch sein, dass Sie nach langer Zeit noch einmal eine Nachricht schicken.

Und in der Tat war und ist das Thema vom letzten Jahr auch in diesem Jahr Thema. Ich habe Ihre Ausführungen vom letzten Jahr sehr genossen - Sie haben sich wirklich sehr bemüht, mir, einer Fremden, eine männlich / menschliche Art näher zu bringen, und das Loslassen, was nicht zu halten war, schien mir auch die einzige Möglichkeit.

Ihre Zeilen hatten mich beeindruckt, ja berührt, und jetzt, da ich Sie wieder lese, fällt der Groschen erneut. Wir hatten zu Sommerbeginn ein Revival miteinander, der von mir so geliebte Mann und ich. Doch verlief es genauso -er und es hat sich nicht(s) geändert. Aber auch ich hatte noch einmal die Hoffnung.....doch das Loslassen fällt nun leichter. Die Liebe ist da, auf beiden Seiten, sie ist Energie, die nicht vergeht. Aber das Ertragen fällt schwer - die Nähe, die mir nicht reicht, scheint ihm schon zu viel...

Nun, es ist, wie es ist, scheint miteinander schwierig, ohne einander aber auch - ebenfalls viel besungen und beschrieben. Schaun wir, wie oft vor allem ich das noch brauche, bevor es mir gelingt, mein Muster zu löschen....

Herzlichst

...

 

 

 

Hallo Frau ...,

Mitunter ist es mein 7. Sinn, noch mal nachzufragen.

Vielleicht müssen Sie Ihr Muster gar nicht löschen, sondern sich nur damit versöhnen?

 

 

Beste Grüße

 

 

Peter Thiel

 

 


 

 

 

-----Ursprüngliche Nachricht-----

Von: ...

Gesendet: Freitag, 1. Dezember 2006 02:09

An: info@maennerberatung.de

Betreff:

 

hallo!

seitdem ich einen Internetanschluss habe, bekomm ich das Gefühl mehr und mehr abhängig danach zu werden. Es ist weniger das Surfen im Internet oder der reine Wille "online" zu sein, sondern vielmehr das Bedürfnis zu chatten.

Dies zeichnet sich dadurch aus, dass ich ich in Chaträumen meine sexuellen Phantasien auslebe. Oft kommt es vor, dass ich abends den Pc anschalte und bis spät in die Nacht meine Zeit in Chaträumen verbringe um dort cybersex zu haben.

Ich denke nicht, dass ich ein kommunikatives Problem habe, dass mich dazu bringt, die meiste Zeit online zu sein, jedoch hatte ich in der Jungend Ansätze von Minderwertigkeitskomplexen und auch heute zweifel ich noch oft an mir.

Dieses Problem zieht sich schon seit jahren und lies eine längere Beziehung zu Bruch gehen. Ich hatte meine damalige Freundin mehrmals angelogen und hinter ihrem Rücken den Sex im internet gesucht, ohne ihr körperlich fremd zugehen.

Ich wäre ihnen für einen Rat sehr dankbar

Mit freundlichen Grüßen

...

 

 

 

 

 

Hallo Herr ... ,

wo ist denn da ein Problem? Sie lieben Cybersex - und das ist auch gut so - um mit Klaus Wowereit zu sprechen. Wo steht denn geschrieben, dass nur Sex mit realen Menschen / Frauen schön oder gar richtig ist?

Genießen Sie einfach ohne Schuldgefühle die Zeit vor dem Computer. Andere Menschen wie zum Beispiel der Papst haben wahrscheinlich gar kein Sexualleben und trotzdem sind sie sehr anerkannte Menschen und stehen sogar in der Zeitung.

 

 

Gruß Peter Thiel

 

 

 

 

 

-----Ursprüngliche Nachricht-----

Von: ...

Gesendet: Samstag, 2. Dezember 2006 18:28

An: info@maennerberatung.de

Betreff: RE: AW:

 

 

Mein Problem ist, dass ich durch die zeit am Pc meine eigentliche Arbeit vernachlässige und gar nicht mehr ohne den Pc oder Cybersex auskomme, dass es also schon eine Sucht für mich darstellt ...

 

 

 

 

Hallo Herr ... ,

Ihr Problem scheint mir nicht der Cybersex zu sein, sondern dass Sie momentan sonst nicht viel haben, was Sie mehr begeistern könnte.

Möglicherweise macht Ihnen Ihre Arbeit so wenig Spaß, dass Sie Ihre Zeit lieber mit Cybersex herumkriegen. Vielleicht geht es Ihnen da wie vielen anderen Leuten, die langweilige oder sinnlose Jobs - warum auch immer - ausüben, nur damit sie irgend etwas haben, woran sie sich überhaupt festhalten können, um dann schließlich recht früh zu sterben, weil der Lebenssinn erschöpft ist.

Wenn das bei Ihnen so ähnlich sein sollte, könnten sie sich Fall vielleicht mal um eine andere Arbeit kümmern oder um andere schöne Dinge im Leben, so dass sie dann Ihren Computer nicht mehr so oft brauchen.

Versuchen Sie es doch mal mit einer Kontaktanzeige und einem anschließenden Treffen mit einer realen Frau. Da können Sie noch richtige Abenteuer erleben, anstatt immer nur die virtuellen am Computer.

Vielleicht fahren Sie aber auch mal auf eine psychosomatische Kur. Die wird von der Krankenkasse bezahlt und Sie kriegen eine hübsches Zimmer irgendwo im Schwarzwald oder auf Sylt, lernen andere nette Menschen kennen und haben eine gute Zeit. Einziger Nachteil, die Kur ist nach 3-6 Wochen zu Ende und Sie müssen dann wieder ins normale Leben zurückkehren und wieder für sich selber sorgen. Aber vielleicht haben Sie dann einige Anregungen und einen gewissen Schwung von der Kur mitgebracht, so dass Sie es dann ganz gut hinkriegen.

 

 

Gruß Peter Thiel

 

 

 

 


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