Depression
Im Nebel
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den anderen,
Jeder ist allein.
Voll von Freuden war mir die Welt,
Als noch mein Leben Licht war,
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkle kennt,
Das unentrinnbar und leise.
Von allen ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist einsam sein.
Kein Mensch kennt den anderen,
Jeder ist allein
Herrmann Hesse
Clown Paleacci
Mann geht zum Arzt, sagt er ist deprimiert. Das Leben kommt ihm rau vor und herzlos. Sagt, er fühlt sich allein in einer bedrohlichen Welt. Arzt sagt "Behandlung ist einfach! Der große Clown Paleacci ist in der Stadt. Gehen Sie hin, wird Sie aufheitern." Mann wird traurig. "Doktor", sagt er, "ich bin Paleacci!"
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Peter Thiel - Systemischer Berater und Therapeut / Familientherapeut (DGSF)
13.03.2014
Schlüsselwörter
Abschied, Aggression, Antidepressivum, Burn-out, Depression, Depressivität, depressiv, Endlichkeit, Hoffnungslosigkeit, Krise, Langeweile, larvierte Depression, Melancholie, Midlife Crisis, Neuanfang, Sinn, Sinnkrise, Sinnlosigkeit, Suizid, Tod, Trauer, Trost, Trösten, verdeckter Suizid, Verlust, Verlusterfahrung, Wandlung
Aggression
Depression und nicht gelebte oder ins Leere geführte Aggression sind zwei Seiten einer Medaillie. Depression ist - vereinfacht gesagt - gestaute Aggression. Wird die Aggression unterdrückt - und das ist in der modernen Kultur oft der Fall - tritt Frustration und das Gefühl von Ohnmacht ein. Das Selbst steht unter Druck, ohne dass die Möglichkeit einer Spannungsabfuhr eröffnet scheint. "Schuld" daran ist u.a. das allgemeine Aggressionsverbot, das schon in der Bibel postuliert wird: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Auf die Frage eines Schriftgelehrten (grammatikos) in Jerusalem nach dem wichtigsten – ersten – Gebot, die damals im Judentum diskutiert wurde, antwortet Jesus (Mk 12,29 ff EU):
„Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.
Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.“
http://de.wikipedia.org/wiki/N%C3%A4chstenliebe
Dies heißt im Umkehrschluss, liebe ich mich nicht selbst, dann liebe ich auch nicht den anderen. Hasse ich mich selbst, dann hasse ich auch den anderen.
Um die latente Aggression, die nicht gelebt werden darf, dennoch abzuführen stehen mehrere Wege offen, die allerdings nicht den grundlegenden Konflikt lösen.
1. Der aggressive Akt gegen sich selbst. Das Selbst steht immer für Selbstvergewaltigung und Selbsthass zur Verfügung (Depression).
2. Die Projektion der Aggression auf einen erfundenen Feind (Sündenbock)
3. Der Gewaltausbruch. (Choleriker, Hooligan, Amokläufer, etc.)
Das wichtigste zu diesem Thema ist wohl von Fritz Perls schon 1951 geschrieben worden, so u.a.:
"Was unseren Wohlstand angeht, so berührt keine der noch strittigen ökonomischen Fragen das Lebensnotwendige. Die Gewerkschaften fordern nicht Brot, sondern bessere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und mehr Sicherheit; die Kapitalbesitzer fordern weniger staatliche Kontrolle und bessere Reinvestitionsbedingungen. Ein Einzelfall von Verhungern macht Skandal in der Presse. Weniger als zehn Prozent des Wirtschaftsertrags werden für die Grundversorgung mit Lebensnotwendigem verausgabt. Es gibt mehr Annehmlichkeiten, Luxus und Unterhaltung als je zuvor in der Geschichte.
Psychologisch ist das Bild zweifelhafter. Es gibt kaum überlebensgefährdende psychische Frustrationen, aber auch kaum Befriedigung, und es gibt Zeichen von nackter Angst. Die allgemeine Verwirrung und Unsicherheit der isolierten Individuen in einer allzu großen Gesellschaft zerstören Selbstvertrauen und Initiative, und ohne diese gibt es kein tätiges Vergnügen. Sport und Unterhaltung sind passiv und symbolisch; die Auswahl auf dem Markt ist passiv und symbolisch; es gibt nichts mehr, was die Menschen selber tun oder lassen, es sei denn symbolisch. Das Angebot au Sexualität ist reichlich, die Unempfindlichkeit extrem. Früher herrschte das Gefühl vor, Wissenschaft, Technik und neue Sitten würden ein glückseliges Zeitalter hereinbrechen lassen. Diese Hoffnung ist enttäuscht worden. Überall sind die Menschen enttäuscht.
Schon oberflächlich gesehen gibt es also Grund, die Dinge kurz und klein zu schlagen, nicht diesen oder jenen Teil des Systems zu zerstören (zum Beispiel die herrschende Klasse), sondern das Ganze en bloc, denn es verspricht nichts mehr, es hat sich in seiner bestehenden Form als unassimilierbar erwiesen. Dieses Gefühl findet sich, in wechselnden Graden der Klarheit, sogar im Gewahrsein.
Wenn wir aber näher hinsehen, unter den Aspekten, die wir eben erörtert haben, so stellen wir fest, daß diese Bedingungen fast genau diejenigen sind, welche den primären Masochismus erregen. Es findet eine dauernde Reizung statt, bei nur partieller Spannungsabfuhr, eine unerträgliche Steigerung der unbewußten Spannungen - unbewußt, weil die Menschen nicht wissen, was sie wol-
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len, noch wie sie es erlangen können, weil die Mittel, die sich ihnen bieten, zu groß und unhandlich sind. Der Wunsch nach der letzten Befriedigung, nach dem Orgasmus, wird als Wunsch nach totaler Selbstzerstörung interpretiert. Unvermeidlich also muß es einen öffentlichen Traum von der Weltkatastrophe geben, von riesigen Explosionen, Feuern und Elektroschocks, und die Menschen bemühen sich mit vereinten Kräften, die Apokalypse Wirklichkeit werden zulassen.
Gleichzeitig jedoch wird jeder offene Ausdruck von Zerstörungslust, Vernichtungswillen, Wut und Kampfbereitschaft unterdrückt im Interesse der öffentlichen Ordnung. Schon das Gefühl des Ärgers wird zurückgehalten und verdrängt. Vernünftig, tolerant, höflich und kooperationswillig lassen die Menschen sich herumstoßen. Aber die Anlässe, sich zu ärgern, werden keinesfalls seltener. Im Gegenteil, wenn die größeren Initiativen in die Wettbewerbsroutine der Ämter, Bürokratien und Fabriken kanalisiert werden, gibt es Demütigungen, verletzte Gefühle, kleine Gemeinheiten. Der kleine Arger wächst ständig nach und wird nie abgeführt; die große Wut, welche die große Initiative begleitet, wird verdrängt.
Frederick S. Perls; Paul Goodman; Ralph F. Hefferline: “Gestalttherapie. Grundlagen“, dtv, 1979
, S. 138 -139
Verlust
Zum Leben gehören Lust und Leid. Leben bedeutet Hinwendung zur Lust. Geht uns die Lust verloren, werden wir lustlos oder erleben wir Ver-luste. Wir nähern uns dem Tod, welcher hinter der Straße des Sterbens und dem Tor des Erlöschens liegt und von dem niemand wissen kann wie er ist, da noch niemand von dort zurückgekommen ist. Tod bedeutet Entgültigkeit der Trennung vom diesseitigen Leben mit seinen Freuden, seiner Lust, seiner Mühe und seinem Leid.
Verluste begleiten uns vom Anbeginn unserer Zeugung, der Verschmelzung von Eizelle und Spermium. Kaum verschmolzen setzt eine intensive Zellteilung ein, die in wenigen Wochen ein neues strukturiertes Wesen, einen Menschen, einen Jungen oder ein Mädchen entstehen lässt. Die Zweiheit von Eizelle und Spermium sie ist Vergangenheit und erst mit viel später tritt der sich entwickelnde Mensch als Mann oder Frau, diesmal als Akteur erneut in den Zyklus der Zeugung ein.
Männer wie Frauen erleben und erleiden Verluste. Dazu gehören schleichende Verluste, wie der Verlust der Jugend und der dazugehörigen Naivität, die zum Erwachsenwerden notwendig sind.
Dazu gehören auch existenziell berührende, und unter Umständen auch bedrohliche. Der eigene Vater, die eigene Mutter sterben, die Partnerin trennt sich oder stirbt. Im schlimmsten Fall stirbt das eigene Kind.
Dabei stehen vielen Männern häufig keine adäquaten Mittel der Verlustbewältigung zur Verfügung. Sie können ihren Schmerz nicht zulassen, sich nicht mitteilen und nicht trauern. Die Unfähigkeit zu trauern hängt zum einem mit dem Selbstbild des Mannes, nicht trauern zu dürfen und zum anderen mit der Angst, sich selber in der Trauer zu verlieren, zusammen. Die Unfähigkeit zur Trauer wird früh in der Geschichte des Mannes, in seiner Zeit als Junge, gesellschaftlich produziert "Ein Junge weint nicht" und schließlich vom Jungen und späteren Mann internalisiert.
Um dennoch mit dem Verlust klarzukommen, benutzt der Mann Mittel zur Verdräng wie Arbeiten, Alkohol, Drogen, etc. Da diese Mittel immer nur eine zeitlich beschränkte Wirkung haben, muss immer wieder für eine Neuzufuhr oder sogar für eine Erhöhung der Dosis gesorgt werden, mit der Folge, dass der Mann wird süchtig wird.
Die Lösung liegt darin den Schmerz zu fühlen, auszuhalten und den sich zeigenden Gefühlen wie z.B. Trauer und Wut den nötigen Raum und die Zeit zu geben. Dabei Bedarf es häufig der Unterstützung, wobei Männer es häufig nicht gelernt haben, sich diese Unterstützung zu holen.
Depression
Blick nach unten - Im Innern der Röhre einer Windkraftanlage
Fragen sie mal einen durchschnittlichen Mann wie es ihm geht - gut - wird wohl die Antwort sein oder er wird statt einer konkreten Antwort auf die Politiker schimpfen. Dabei geht es Hunderttausende von Männern gar nicht gut oder sie sind sogar depressiv. Viele bemerken das jedoch gar nicht und man sieht es ihnen womöglich auf dem ersten Blick auch nicht an. Männer "leiden" in der Regel nicht an Depressionen, da Männer zum einen ihre Wahrnehmungsfähigkeit oft erheblich reduziert haben und zum anderen Kompensationsstrategien nutzen, so dass die Depression nicht offen ausbricht, sondern latent bleibt (sogenannte larvierte Depression).
Die Depression bei Männern wird oft unter einem Mantel der Geschäftigkeit verborgen, da diese gut mit der gesellschaftlich Männern zugewiesenen Rolle des Arbeitsmanns vereinbar ist. So z.B. beim Workaholic, der die Bedrohlichkeit seiner latenten Depression mit Arbeit wegzudrücken versucht. Man schaue sich hier nur einmal den durchschnittlichen männlichen Bundestagsabgeordneten, gleich welcher politischen Couleur, aus der Nähe an. Der Workaholic kann die vielen gut gemeinten Ratschläge wohlmeinender Menschen, er solle sich doch einfach mal ausruhen und Urlaub machen, nicht annehmen, denn wenn der Workaholic diesen Ratschlägen folgen würde, so käme er in eine schwere seelische Krise. An Ausruhen ist also nicht zu denken. Wenn der Workaholic denn schon "Urlaub" macht, dann muss es ein "Aktivurlaub" sein, der so voller Aktivitäten gepackt wird (Bergsteigen, Segeln, Radfahren, Städte angucken, etc.), dass dem Workaholic keine Zeit mehr bleibt in die Depression abzugleiten. Muße kennt der Workaholic nicht und so führt die permanente Überbelastung früher oder später in einen Erschöpfungszustand (Burn-Out-Syndrom).
Schließlich gibt es auch allerhand Mittelchen und Strategien, um sich ein wenig Erleichterung von seinen depressiven Stimmungen zu machen. Als "Volksmedizin" steht bei Männern die legale Droge Alkohol hoch im Kurs, der mittelfristig allerdings oft zu einer Verschärfung der Krise beiträgt. Auch die verstärkte Flucht in Arbeit soll die Wahrnehmung der Depression verhindern und Erleichterung schaffen. Psychiater verschreiben auf Anfrage legale Drogen, sogenannte Psychopharmaka, die das Leben zwar auch nicht freudiger machen, aber wenigstens eine Art Dämmerzustand herstellen bei der der Betreffende nicht merkt, wie freudlos das Leben ist. Als letztes Mittel zur Abwehr einer als übermäßig bedrohlich erscheinenden Depression bleibt schließlich noch der Suizid.
So vielleicht auch im Fall des durch Suizid ums Leben gekommenen WM-Beauftragten des Berliner Senates Jürgen Kießling.
WM-Beauftragter Kießling gestorben
Berlin - Der WM-Beauftragte des Berliner Senats, Jürgen Kießling, ist wenige Tage nach seinem Selbstmordversuch seinen schweren Verletzungen erlegen. Der 65-jährige starb am Donnerstagmittag in der Charite. Nähere Angaben über die Umstände des Todes machte die Sprecherin der Klinik, Kerstin Endele, nicht.
Der seit Jahren verwitwete Kießling hatte sich am Sonntag nach dem WM-Finale zwischen Italien und Frankreich in Berlin im Garten seines Hauses in Reinickendorf mit einer Pistole in den Kopf geschossen und dabei lebensgefährlich verletzt. Über die Motive für die Tat ist nichts bekannt. Kießling war maßgeblich an der Organisation der Fußball-Weltmeisterschaft beteiligt. Er hatte sich für Deutschlands größte Fanmeile am Brandenburger Tor engagiert und war auch Sprecher aller zwölf deutschen WM-Städte. Intern trug Kießling den Titel «Mister WM».
Wowereit spricht Angehörigen Mitgefühl aus
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) würdigte die Leistungen Kießlings. Der Abteilungsleiter in der Bildungs- und Sportverwaltung habe sich stets rastlos und unermüdlich für die Erfüllung der ihm gestellten Aufgaben eingesetzt. Kießling habe sich um Berlin verdient gemacht, «zuletzt durch sein großes und überaus erfolgreiches Engagement für die Fußball-Weltmeisterschaft». Wowereit sprach den Angehörigen Kießlings, vor allem dessen Tochter, sein Mitgefühl aus.
Medienberichten zufolge hinterließ Kießling zwei Abschiedsbriefe an seine minderjährige Tochter und an den Rest seiner Familie. Die Polizei ermittelt nach Angaben eines Sprechers weiter zu den Umständen des Selbstmordversuchs. Unterdessen halten die Spekulationen über die Hintergründe an.
"Existentielle Sorgen"
...
Der Tagesspiegel hatte in seiner Donnerstagausgabe berichtet, Kießling habe «existentielle Sorgen um seine finanzielle Zukunft» und die seiner 15-jährigen Tochter gehabt. Der Abteilungsleiter habe eine hohe finanzielle Verpflichtung im Familienkreis gehabt, die mit Vollendung des 65. Lebensjahres und Eintritt in den Ruhestand fällig geworden wäre. Anzeichen von Verzweiflung, Depressionen oder Burnout-Syndrom soll er aber nicht gezeigt haben.
...
http://www.tagesspiegel.de/berlin/nachrichten/kiessling/68446.asp
Bei Kießling mag einiges zusammengekommen sein. Der vorherige Tod seiner Frau, die offenbar große Rastlosigkeit Kießlings, die Klaus Wowereit - hier ganz der traditionelle SPD-Arbeitsmann - auch noch mit den Worten würdigt:
"Der Abteilungsleiter in der Bildungs- und Sportverwaltung habe sich stets rastlos und unermüdlich für die Erfüllung der ihm gestellten Aufgaben eingesetzt."
die man in psychiatrischen Kategorien möglicherweise als "Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom ADHS" bezeichnen würde.
Schließlich der drohende Ruhestand, der für einen traditionellen Arbeitsmann einen Depressionsfaktor ersten Ranges darstellt (man schaue sich zu diesem Thema den empfehlenswerten Film "About Schmidt" mit Jack Nicholson in der Hauptrolle an.
About Schmidt
Tragische Komödie, USA 2002, 125 Minuten, ab 6
Originaltitel: About Schmidt; Deutschlandstart: 27.02.2003 (Warner Bros.); Regie: Alexander Payne; Produktion: Harry Gittes, Michael Besman; Drehbuch: Alexander Payne, Jim Taylor nach dem Roman von Louis Begley; Musik: Rolfe Kent; Kamera: James Glennon; Ausstattung: Jane Ann Stewart; Schnitt: Kevin Tent; Kostüme: Wendy Chuck
mit Jack Nicholson (Warren Schmidt), Kathy Bates (Roberta Hertzel), Hope Davis (Jeannie Schmidt), Dermot Mulroney (Randall Hertzel), June Squibb (Helen Schmidt), Howard Hesseman (Larry Hertzel), Harry Groener (John Rusk), Connie Ray (Vicki Rusk), Len Cariou (Ray Nichols), Mark Venhuizen (Duncan Hertzel), Cheryl Hamada (Saundra), Phil Reeves (Minister in Denver)
Plot: Warren Schmidt (Jack Nicholson) sitzt gezeichnet von trübsinniger Resignation in seinem schon halb geräumten, trostlosem Versicherungsbüro und fixiert die unaufhaltsam Richtung Ruhestand vorantickende Bürouhr. Warren ist ein Niemand, oder ein Jedermann, wie man will.
Nach dem Tod der "fremden Frau" in seinem Bett, wie Schmidt seine langjährige Gemahlin einmal beschreibt, weiß er so recht nichts mit all der nun arbeitsfreien Zeit anzufangen. So beginnt er sich in einem, durch einen TV-Spot animierten, karitativen Anflug von Menschenliebe für einen afrikanischen Jungen namens Ndugu zu engagieren. Er überweist ihm nicht nur regelmäßig etwas Geld, er schreibt ihm auch lange, persönliche Briefe ins ferne Tansania, in denen er sein pensionäres Leid klagt.
Langsam erkennt Schmidt, der allmählich aus seiner Lethargie erwacht, seine Mission: Er begibt sich mit seinem großen Wohnwagen auf eine Art Selbstfindungstour. - Ein Trip, der ihn schließlich zu seiner Tochter (Hope Davis) führen wird, die Schmidt nämlich zu retten gedenkt. Und zwar vor ihrem Verlobten (Dermot Mulroney), einem schrägen Loser, und seiner - wie Schmidt findet - völlig peinlichen Familie.
http://www.paderkino.de/kritiken/03/about_schmidt.html
Die Äußerung seiner Befindlichkeit oder gar seiner Verzweiflung und das Suchen nach Hilfe ist im traditionellen Männlichkeitsstereotyp nicht vorgesehen. Schon die Wahrnehmung von Hilfsbedürftigkeit wird durch den "normalen" Mann häufig abgewehrt oder verdrängt. 75 Prozent der Anrufer einer Einrichtung zur Selbstmordprävention waren Frauen, 75 Prozent derer die sich im gleichen Jahr durch Suizid töteten, waren Männer.
Während Männer versuchen ihre depressiven Anteile durch Aktivitäten beherrschbar zu machen, scheinen Frauen häufig auf die eigenen Kinder, die dem Vater - auch wenn sie mit ihm zusammen leben - oft entfremdet sind, als Antidepressivum zurückzugreifen. Dieses verträgt sich wiederum gut mit der Rolle, die die Gesellschaft Frauen traditionell zuweist - eine gute Mutter zu sein. Das so viel weibliche Überbehütung beim Kind oft schwere Schädigungen auslöst nimmt man bis hin zum Bundesverfassungsgericht der Ideologie zuliebe dabei gern in Kauf.
Einen besonders interessanten Fall von larvierter Depression verkörpert wohl die Figur des Don Quijote aus dem weltweit bekannten Roman "Leben und Taten des scharfsinnigen Don Quijote de la Mancha" von Miguel de Cervantes Saavedra (1605 und 1615 erschienen). Dies mag auf den ersten Blick verwundern, denn wieso sollte der Windmühlen bekämpfende Ritter von der traurigen Gestalt versteckt depressiv sein? Ein Teil der Antwort liefert uns schon in dem Zusatznamen des Don Quijote, er ist ein Ritter von der traurigen Gestalt. Trauer und Depression sind eng miteinander verbunden, Depression, kann man sagen, ist unverarbeitete oder steckengebliebene Trauer. Die Psychoanalytiker Alexander und Margarete Mitscherlich haben zu diesem Thema ein bekanntes Buch geschrieben: "Die Unfähigkeit zu trauern."
Dass Don Quijote das für andere merkwürdig erscheinende Verhalten zeigt, ständig gegen nicht vorhandene Feinde zu kämpfen und keinen Aufwand scheut, aus harmlosen Bauern, Priestern oder Barbieren feindliche Ritter zu halluzinieren, muss aus der Sicht von Don Quijote einen Sinn haben. Der Sinn liegt darin, dass Don Quijote Angst davor hat, er würde sofort in eine tiefe Krise stürzen, wenn er diese permanenten, anderen unsinnig erscheinenden Kampf beenden würde. Die Angst scheint nicht unbegründet, denn der ständige Kampf mit den Windmühlenflügeln verhindert, dass sich Don Quijote mit seiner tiefen Verzweiflung und dem ihm fehlend erscheinenden Sinn seines Lebens beschäftigen müsste. Ohne einen Sinn in ihrem Leben zu erkennen, können die meisten Menschen nur sehr schwer leben. Darin unterscheiden sie sich vom Tier, das nicht nach dem Sinn des Tages fragt, wenn es in der Frühe aufwacht.
Wenn wir uns die Biografie von Miguel de Cervantes Saavedra anschauen, so sehen wir einige gravierende Ereignisse, die den Ritter von der traurigen Gestalt plausibel machen. Cervantes wurde 1571 in der Seeschlacht bei Lepotano verwundet. Unter Philip II. weiter Soldat, geriet Cervantes im September 1575 in die Hände algerischer Seeräuber und musste fünf Jahre in Sklaverei verbringen, bis er von seiner Familie losgekauft wurde. Später saß Cervantes eine Zeitlang im Gefängnis, wo nach seinen Worten auch der " Don Quijote" entstanden ist.
Gründe für eine Depression werden verschiedene genannt. So sollen persönlich bedeutsame Verlust, wie z.B. der Tod eines geliebten Menschen, das ungewollte Ende einer wichtigen Beziehung, die Insolvenz der Firme oder historisch zurückblickend Verluste wie der Verlust der Heimat in Folge von Vertreibung oder auch des durch Bombenangriffe zerstörten Hauses zum Entstehen einer Depression beitragen.
Tod
Schlussstück
Der Tod ist groß.
Wir sind die seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.
Rainer Maria Rilke
Trauer
Das Gegenstück zur Depression ist die Trauer. Die Trauer verharrt nicht im Zustand der Erstarrung und emotionalen Einkapselung, sondern ist ein dynamischer, auch aggressiver Prozess, in dem das Verlorengegangene angeschaut und beklagt wird.
Somit wird deutlich welcher Weg aus der Depression führen kann? Alexander und Margarete Mitscherlich meinen, es wäre die Fähigkeit zu trauern. In diesem Sinne sieht das wohl auch Perls so, der ursprünglich auch aus der psychoanalytischen Tradition kam. er schreibt:
Nehmen wir zwei einfache Fälle zur Illustration: Ein Mann ist krank; er versucht, seinen Geschäften nachzugehen und leidet; zu der Einsicht gezwungen, daß er nun ein ganz anderes Geschäft hat, kümmert er sich um seine Krankheit, legt sich hin und wartet; das Leiden läßt nach, und er schläft ein. Oder der Tod eines geliebten Menschen: Es gibt einen traurigen Konflikt zwischen intellektuellem Hinnehmen einerseits, Wünschen und Erinnerungen andererseits. Der Durchschnittsmensch versucht sich abzulenken, wer aber mehr von sich verlangt, gehorcht dem Zeichen und gibt sich dem Leiden hin; er ruft sich die Vergangenheit zurück und sieht seine Gegenwart hoffnungslos versperrt. Er weiß nicht, was er tun soll, jetzt, da alles aus den Fugen ist; die Trauer, die Verwirrung und das Leiden dauern lange, denn so vieles muß zerstört und vernichtet und so vieles assimiliert werden, und währenddessen darf er nicht seinen unwichtigen Geschäften nachgehen und den Konflikt vorsätzlich unterdrücken. Schließlich ist die Trauerarbeit erledigt, der Mensch verändert; er nimmt nun eine Haltung schöpferischen Desinteresses ein, und alsbald werden neue Interessen vorrangig.
Perls, Frederick S.; Goodman, Paul; Hefferline, Ralph F.: Gestalttherapie Grundlagen. dtv, 1979, s. 152
Ist die Trauerarbeit getan, so können neue Interessen vorrangig werden. Doch die neuen Interessen sind noch nicht identisch mit dem Weg sie auch umzusetzen. Man denke hier nur daran, wie viele Menschen Interesse an einer Partnerschaft haben und diese dennoch nicht leben, weil sie nicht wissen, wie sie diese praktisch herstellen können.
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-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ....
Gesendet: Donnerstag, 13. März 2014 03:31
An: info@maennerberatung.de
Betreff: kann eine einsame Wohnform ein geeigneter geschützter Rahmen werden?
Hallo Peter Thiel (und/oder Kolleg/innen),
ich finde die Beschreibung auf http://www.maennerberatung.de/selbstwert.htm sehr gut und finde mich auch wieder.
Ich habe seit Jahren das Gefühl, dass ich den geeigneten und geschützten Rahmen zur Selbstheilung nur im Abstand von Familie und vor allem Ehefrau (z.B. in einsamer Wohnform) finden kann.
Ist das depressiv?
Oder eventuell nur Schmerzvermeidung und macht die Selbstwertfalle noch schlimmer?
mit Grüßen,
...
Hallo Herr ...,
ob das depressiv ist, müssen Sie selber beurteilen. Wenn Sie sich dabei wohl fühlen, ist es sicher nicht depressiv. Flucht in die Einsamkeit scheint mit auf alle Fälle nur die zweite Wahl unter den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.
Ich halte es eher mit Hölderlin:
Der Gang aufs Land
An Landauer
Komm! ins Offene, Freund! zwar glänzt ein Weniges heute
Nur herunter und eng schließet der Himmel uns ein.
Weder die Berge sind noch aufgegangen des Waldes
Gipfel nach Wunsch und leer ruht von Gesange die Luft.
Trüb ists heut, es schlummern die Gäng' und die Gassen und fast will
Mir es scheinen, es sei, als in der bleiernen Zeit.
Dennoch gelinget der Wunsch, Rechtgläubige zweifeln an Einer
Stunde nicht und der Lust bleibe geweihet der Tag.
Denn nicht wenig erfreut, was wir vom Himmel gewonnen,
Wenn ers weigert und doch gönnet den Kindern zuletzt.
Nur daß solcher Reden und auch der Schritt’ und der Mühe
Wert der Gewinn und ganz wahr das Ergötzliche sei.
Darum hoff ich sogar, es werde, wenn das Gewünschte
Wir beginnen und erst unsere Zunge gelöst,
Und gefunden das Wort, und aufgegangen das Herz ist,
Und von trunkener Stirn' höher Besinnen entspringt,
Mit der unsern zugleich des Himmels Blüte beginnen,
Und dem offenen Blick offen der Leuchtende sein.
Denn nicht Mächtiges ists, zum Leben aber gehört es,
Was wir wollen, und scheint schicklich und freudig zugleich.
Aber kommen doch auch der segenbringenden Schwalben
Immer einige noch, ehe der Sommer, ins Land.
Nämlich droben zu weihn bei guter Rede den Boden,
Wo den Gästen das Haus baut der verständige Wirt;
Daß sie kosten und schaun das Schönste, die Fülle des Landes
Daß, wie das Herz es wünscht, offen, dem Geiste gemäß
Mahl und Tanz und Gesang und Stutgards Freude gekrönt sei,
Deshalb wollen wir heut wünschend den Hügel hinauf.
Mög' ein Besseres noch das menschenfreundliche Mailicht
Drüber sprechen, von selbst bildsamen Gästen erklärt,
Oder, wie sonst, wenns andern gefällt, denn alt ist die Sitte,
Und es schauen so oft lächelnd die Götter auf uns,
Möge der Zimmermann vom Gipfel des Daches den Spruch tun,
Wir, so gut es gelang, haben das Unsre getan.
Aber schön ist der Ort, wenn in Feiertagen des Frühlings
Aufgegangen das Tal, wenn mit dem Neckar herab
Weiden grünend und Wald und all die grünenden Bäume
Zahllos, blühend weiß, wallen in wiegender Luft,
Aber mit Wölkchen bedeckt an Bergen herunter der Weinstock
Dämmert und wächst und erwarmt unter dem sonnigen Duft.
24. Woche 48. Woche Titelseite Kalender Gedichte A-Z
Mit freundlichen Grüßen
Peter Thiel
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von:
Gesendet: Montag, 13. Mai 2013 11:17
An: info@maennerberatung.de
Betreff: Mögliche Midlife Crisis?
Sehr geehrter Herr Thiel,
vermutlich befindet sich mein Mann in einer Midlife Crisis. Er wirkt auf mich depressiv und das hat natürlich Auswirkungen auf das Familienlieben und die Partnerschaft.
Sind Beratungen bei Ihnen über die Krankenkasse abrechenbar oder nur privat?
Vielen Dank und viele Grüße
...
Hallo Frau ... ,
im Einzelfall kann auch die Krankenkasse die Kosten übernehmen.
Ihr Mann müsste das bei seiner Krankenkasse beantragen.
Gruß Peter Thiel
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von:...
Gesendet: Samstag, 28. Juni 2008 00:32
An: info@maennerberatung.de
Betreff: Depressiv
Guten Tag,
ich bin 22 J., 174cm und habe folgendes Problem: Fühle mich meist sehr antriebslos. Bin ständig nervös und leicht reizbar. Habe Konzentrationsstörungen und bin sozial nicht sehr integriert. Mein Psychiater hat bei mir eine affektive depressive Störung fest gestellt und mir Antidepressiva verschrieben, die allerdings nicht geholfen haben. Ich studiere ... im zweiten Semester und kürzlich las ich über Testosteronmangel und die entsprechende Symptomatik die mit der von mir geschilderten zusammen fällt (Depressivität). Zusätzlich dazu baue ich auch sehr leicht Fett an Bauch und Brust an und sehr schwer Muskeln auf obwohl ich viel Sport mache (je 3x Woche Fitnessstudio (inzwischen aufgegeben da keine Erfolg nach 1,5 J. Training) und Laufen). Habe auch häufig Gelenk und knochenschmerzen, jedoch auch orthostatische Defizite (Plattfüße, Beckenschiefstand). Meine Genitalorgane sind auch nicht sehr groß. Penis (eregiert) 13,5 bis 14 cm, der Hoden erscheint sehr klein. Auch in der Jugend war ich meist sozial ausgeschlossen insbesondere weil ich beim Sport nicht mithalten konnte und sehr aggressiv war. Hatte bisher auch noch keine Partnerin. Andererseits habe ich eine sehr tiefe Stimme und normalen Bartwuchs und Körperbehaarung. Habe folgende Fragen: Ist es möglich dass ich an Testosteronmangel leide? An was für einen Arzt wende ich mich bei meiner Problematik? Ich habe gelesen, dass man durch Körperfettabbau (Aromatase-Reduktion) die Umwandlung von Testosteron in Östradiol reduzieren und so seinen Testosteronwert steigern kann. Würde hierbei eine signifikante Änderung eintreten oder ist der Einfluss minimal?
...
Hallo Herr ... ,
wegen der Abklärung eines eventuellen Testosteronmangels wenden Sie sich bitte an einen Arzt. Wir können so etwas nicht feststellen, da wir keine Mediziner sind und keine Arztpraxis betreiben.
Wegen Ihrer depressiven Stimmung würde ich Ihnen empfehlen, eine Psychotherapie zu beginnen.
Gruß Peter Thiel
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Mittwoch, 7. Mai 2008 07:11
An: info@maennerberatung.de
Betreff: Depression beim Partner
Sehr geehrter Herr Thiel,
seit 3 Jahren leben mein Partner (56J.) und ich (44 J) eine sehr glückliche Fernbeziehung. Wir sehen uns jedes Wochenende, haben gemeinsame Interessen, ein (bislang) ausgefülltes Sexualleben und waren uns darüber einig, dass stets Offenheit zwischen uns herrschen soll. Nun kündigen sich bei meinem Partner berufliche Veränderungen an ( vorzeitiger Ruhestand durch Arbeitsplatzabbau), seine Scheidung fand vor einigen Wochen statt - und seine Stimmung ist gelinde ausgedrückt- sehr depressiv. Ich mache mir große Sorgen, er machte Andeutungen, dass es wegen des Stresses am Arbeitsplatz ist, aber er versinkt und entfernt sich immer mehr von mir. Ich kann ihm nicht helfen, weil er mich nicht lässt. Auch ich habe schon manchmal unter depressiven Phasen gelitten, aber immer Wege gefunden, sie zu überwinden. ich weiß, das muss nicht auf ihn übertragbar sein, aber er versucht es nicht einmal. Bewegung in der Natur und ähnliche "Hausmittel" werden abgelehnt, er sitzt vor seinem PC und bastelt an Homepages, weil er dabei am besten entspannen kann. Inzwischen empfindet er Geräusche und meine Nähe als belastend, sodass ich mich jetzt erstmal distanziere und auf sein Signal warte, wann er wieder bereit zu mehr Nähe ist. Er beteuert, dass er mich liebt und dass seine Stimmung nichts mit mir zu tun hat, aber es ist für mich sehr schwer zu begreifen, dass ihn meine Anwesenheit und mein "Verwöhnprogramm" am Wochenende eher belasten als ihm guttun. Inzwischen nimmt mein Partner seit ca. 3 Wochen Citalopram ein und beginnt nächste Woche eine Therapie. Er behauptet, er sei nicht suizidgefährdet, er lebe dazu viel zu gern. Und jetzt zum eigentlichen Kern meines Briefes: Kann ich das so glauben? Ich habe ihn konkret gefragt, ob er schon mal daran gedacht hat, sein Leben zu beenden oder ob er mit mir daran glaubt, dass diese Depression ein Prozess ist, der irgendwann endet. Da wir uns wohl in nächster Zeit zunächst mal weniger sehen werden, belastet mich der Gedanke sehr, dass er dort allein ist und vielleicht noch hoffnungsloser wird. Aber ich glaube, ich muss seine Bitte respektieren, ihm erstmal Distanz zu geben, um sein Gleichgewicht wieder zu finden. Ich bin ein sehr positiver optimistischer Mensch, dem es vielfach gelingt, Menschen aus ihrer Traurigkeit zu holen, aber bei ihm versage ich völlig. Mein Partner sagt, er möchte mich nicht belasten, ich hätte schon genug Druck in meinem Leben. das stimmt zwar, aber ich kann, wie bereits erwähnt, sehr gut damit umgehen. Aber es will mir nicht gelingen, ihn aus seiner "Höhle" hervorzulocken. Ich habe mich zurückgenommen, mich ruhig verhalten, damit er Ruhe hat, die er braucht, da meinte er, ich könne aber ruhig weiter so fröhlich sein und singen wie sonst immer. Tu ich das, hab ich das Gefühl, es macht ihm seine Depression noch bewusster... also, ich kann offenbar nichts richtig machen. Ich liebe diesen Mann über alles, ich bin sicher, wir werden gemeinsam seine Krise überstehen, aber- was kann ich tun? Ihn einfach nur sich selbst überlassen und seinem Therapeuten? Er soll doch wissen, dass ich zu ihm stehe, egal was kommt.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir sagen könnten, ob es richtig ist, Distanz zu halten, oder ob er sich dann von mir im Stich gelassen fühlt? Sicherlich war es sein Bedürfnis, aber ich weiß im Moment nicht mehr, was ich glauben soll- will er mich schützen oder muss er wirklich mal allein sein, um sich wieder zu finden?
Mit freundlichen Grüßen und vielem Dank für das Angebot, hier fragen zu dürfen
...
Hallo Frau ... ,
nehmen Sie einfach den richtigen Abstand. Sie können ihrem Freund einen kurzen sachlich gehaltenen Brief schreiben, dass Sie zu ihm stehen und das er sich gerne bei Ihnen melden kann, wenn er Interesse hat.
Ansonsten üben Sie sich in Gelassenheit und im Loslassen und nutzen Sie die Zeit, sich zu fragen, was die derzeitige Situation mit Ihnen und Ihrer Lebensgeschichte zu tun hat und ob Sie in alten erlernten Mustern bleiben und diese auf heutige aktuelle Situationen anwenden, bei denen eine ganz andere Haltung hilfreicher wäre und ob sie die Lebendigkeit des Lebens erfahren wollen, wozu es dann auch gehört sich von Dingen abzugrenzen, die einem nicht gut tun und auf die man keinen wirklichen Einfluss hat.
Wenn Sie ernsthafte Bedanken haben oder Anzeichen zu erkennen sind, Ihr Freund könne einen Suizidgedanken in die Tat umsetzen, dann melden Sie sich einfach beim sozialpsychiatrischen Dienst, die dann von Amts wegen gehalten sind, tätig zu werden. Das ist dann zwar oft auch nicht die richtige Lösung, aber vielleicht besser, als wenn Ihr Freund im depressiven Affekt einen nicht rückgängig zu machenden Schritt tut.
Gruß Peter Thiel
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Samstag, 23. Juni 2007 00:28
An: info@maennerberatung.de
Betreff: Kann man mir helfen?
Sehr geehrter Herr Thiel,
mein Name ist ... und ich bin 43 Jahre alt. Über Google bin ich auf ihre Homepage gelangt. Ich finde sie als Mann klasse!
Wie soll ich anfangen?
Ich beschreibe mal meine Situation:
Ich bin verheiratet, habe 3 Töchter (... ) um die ich beneidet werde und eine Frau, die mich sehr liebt. Auch ich liebe meine 4 Frauen sehr.
Jobmäßig bin ich seit einem Jahr nach 16 Jahren im mittleren Management selbstständig als ...
Ich bin Raucher, trinke regelmäßig Alkohol (Bier) und bin leidenschaftlicher Kiffer.
Zudem hat meine Frau kein Interesse mehr an Sex (Max. 1x pro Monat), was mich nicht auslastet und sehr deprimiert. Ich fühle mich nicht begehrt.
Seit Jahren gehe ich daher zu Prostituierten und habe seit kurzem eine rein sexuelles Verhältnis mit einer Frau, der es mit ihrem Mann genauso geht.
Dies macht sehr viel Spaß, da sie mich sehr begehrt. :-). Ich halte mich dennoch irgendwie auch für sexsüchtig. Demnächst suche ich z.B. eine Expertin in Tantra Massage auf. Meine Frau weiß davon nichts!
Ich weiß nicht, ob ich meine Triebe noch unter Kontrolle habe, da ich mich immer nach Frauen umsehe und sie diesbezüglich "bemustere".
Ich verehre die Weiblichkeit und würde daher aber nie einer Frau Gewalt antun!!!
Oft habe ich eine depressive Stimmung. Rauchen z.B. hatte ich vor drei Jahren aufgegeben, aber nach meiner Kündigung wieder angefangen, da ich eigentlich nicht vorhabe sehr alt zu werden. Oft habe ich die Vorstellung, wie es wäre gegen einen Baum zu fahren. (Keine Sorge, es sind wirklich nur Vorstellungen, ich bin nicht suizidgefährdet, dafür ist mir meine Verantwortung für meine Kinder zu bewußt!!!)
Es geht mir aber irgendwie nicht gut.
Daher diese E-Mail.
Ich habe die Sorge, dass ich in einen Strudel geraten bin, der mich weiter nach unten zieht.
Dagegen möchte ich was unternehmen.
Was kann ich tun, um mich besser zu fühlen? Geht es anderen Männern auch so?
Wie kriege ich meine "Süchte" unter Kontrolle oder ganz weg?
Ich bedanke mich schon jetzt für ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Hallo ... ,
wenn Sie in Berlin wohnen würden, würde ich Ihnen vorschlagen, in die von mir und Peter Bangert geleitete Männergruppe zu kommen - da wären Sie mit Ihren Themen sicher gut aufgehoben.
Wenn Ihnen das nicht möglich ist, dann können Sie in Ihrer Nähe nach einem vergleichbaren Angebot gucken.
Ansonsten denke ich, dass es bei Ihnen um das Thema Aufbruch geht. Das alte kennen Sie, einiges ist gut und auch sehr schätzenswert, wie Ihre Familie, anderes mag eher überholt sein, aber lohnenswert Neues ist noch nicht so recht in Sicht.
Hinzu mag Unsicherheit über die berufliche Situation kommen, das kann schon ausreichen, um am liebsten die Decke über den Kopf zu ziehen (Depression) oder sich von der Jagd nach Frauen eine Entlastung (Frustabbau) zu versprechen.
Ihnen geht es da sicher ähnlich wie vielen anderen Männern, die sich noch nicht von den Lebensentwürfen ihrer eigenen Väter und der Idee traditioneller Männlichkeit aus dem 20. Jahrhunderts emanzipiert haben.
Da stehen Ihnen also noch viele neue und interessante Entwicklungsmöglichkeiten offen.
Gruß Peter Thiel
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Freitag, 12. Januar 2007 12:30
An: info@maennerberatung.de
Betreff: Fernsehbeitrag Urlaubs-Depression
Sehr geehrtes Männerberatungs-Team,
ich recherchiere gerade für den WDR einen Beitrag über Depressionen bei Männern, die im Urlaub auftreten. Ich habe auf Ihrer Seite einen Artikel zu diesem Thema gefunden. Könnten Sie mir eventuell einen Tipp geben, wie ich einen Protagonisten für diesen Beitrag finden könnte? Er sollte möglichst aus NRW kommen.
Sie erreichen mich mobil unter ...
Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen –
Hallo Frau ... ,
ich kann mir nur schwer vorstellen, wie Sie hier einen männlichen Protagonisten finden wollen, denn es liegt in der Natur der Sache, dass ein depressiver Mann nicht an einem Fernsehbeitrag über depressive Männer mitwirkt. Wenn ein Mann mitwirken würde, dann wäre er ja nicht mehr depressiv.
Es könnte sich also nur um einen Mann handeln, bei dem die Depression schon vorbei ist und der sich jetzt wieder in der Lage fühlt, an einem Fernsehbeitrag mitzuwirken. Wenn Sie so einen Mann meinen, dann senden Sie uns bitte einen entsprechenden Text inklusive Ihrer Erreichbarkeit zu, den wir dann in Frage kommenden Männern zuleiten können.
Gruß Peter Thiel
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Samstag, 17. Juni 2006 14:58
An: info@maennerberatung.de
Betreff: Die Depression meines Freundes
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der Hoffnung, dass Sie mir weiterhelfen können, schreibe ich Ihnen, obwohl mein Problem wahrscheinlich etwas von der Norm abweicht.
Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen:
Ich bin 44 Jahre alt und führe seit fast 6 Jahren eine Fernbeziehung mit einem 39-jährigen Türken, der in der Türkei lebt und arbeitet. Als wir uns das erste Mal sahen, war es bei uns beiden Liebe auf den ersten Blick und seit dem haben uns unzählige Telefonate, SMSe, Reisen von mir zu ihm und seine Urlaube in Deutschland, die Trennung ein wenig erleichtert. Wir würden nur zu gerne heiraten, um dann ganz hier in Deutschland zusammenleben zu können, aber seine Ehe ... ,wird nicht geschieden. Kurz nachdem wir uns kennengelernt haben, hat er die Scheidung eingereicht, und seit dem sind wir durch alle Distanzen gegangen. Aber vergebens.
...
Mein Freund ist ein sehr sensibler Mann muss ich dazu sagen, der zur Depression neigt. Er hatte eine sehr schwere Kindheit und Jugend und hat in seinem Leben nie viel Liebe erfahren(er hat schon 2 Mal versucht sich das Leben zu nehmen) . Für ihn ist es das erste Mal, dass er überhaupt spürt was Liebe ist, was ihm sehr gut tut, aber er hat auch die totale Angst sie wieder zu verlieren.
Jetzt zu meinem aktuellen Problem: ... war Anfang diesen Jahres das 3.Mal für 2 Monate bei uns in Deutschland. Da ich mich beruflich umorientiert habe, hatte ich diesmal nicht so viel Zeit wie sonst für ihn, woraus einige heftige Streits resultierten. Grund war meist seine übertriebene Eifersucht und zu wenig Aufmerksamkeit, die ich ihm gegeben habe.
Er hatte da schon total Stimmungsschwankungen, einen Tag war er gut gelaunt, den anderen Tag wieder schlecht. Nach unseren Streits hat er sich immer stundenlang in sein 'Schneckenhaus' zurückgezogen und hat nicht mehr gesprochen. Überhaupt ist er nicht gerade ein sehr mitteilsamer Mensch.
Als er wieder in der Türkei war, war er auch noch ungefähr 6 Wochen total reserviert am Telefon. Zunächst hatte ich Verständnis, da ich dachte, dass er unter der Sehnsucht leide, aber dann hat es mich immer wütender gemacht und auch auf meine weinenden Bitten hin, mir doch zu sagen, was mit ihm los sei, hat er sich nicht sonderlich geäußert. Ich habe dann, aus Wut heraus und auch um ihn ein wenig aus der Reserve zu locken, 'Schluss' gemacht, aber die Reaktion war nicht die Erwartete. Er hat es total enttäuscht hingenommen. Die Antwort vom Gericht hat ihm wohl den Rest gegeben.
Er war dann der Meinung, dass das Schicksal es wohl nicht so vorgesehen hat, dass wir jemals zusammenkommen und er möchte mich vergessen. Er wollte keinen Kontakt mehr zu mir, hat mir aber beteuert, dass er mich über alle Maßen liebe und das auch immer tun würde. Er wollte seine Handynummer wechseln und aus unserer gemeinsamen Wohnung ausziehen. Ihm war sein Leben und seine Gesundheit total egal und er sagte mehrfach, dass er gerne tot sei und fragte sich, warum er eigentlich geboren wurde.
Ich hatte solche Angst, er würde sich was antun und bin sofort zu ihm geflogen. Er war so lieb wie immer zu mir, da war kein Unterschied, aber seine Entscheidung stand fest.
Diese Liebe würde uns sehr unglücklich machen und es wäre das Beste, wenn wir uns vergäßen.
Der Abschied war grauenvoll. Wir haben geheult wie die Schloßhunde, aber für mich stand fest, das ist keine Entscheidung, die ein klarer Kopf fällt und ich wollte ihn nicht gehen lassen. Ich habe die letzten Wochen den Kontakt aufrecht gehalten und ihm noch mehr als sonst gesagt, wie sehr ich ihn liebe und wie sehr mir an ihm läge. Er ist dann doch nicht aus unserer Wohnung ausgezogen und er hat auch sein Handy noch, aber er steckt in einer tiefen Depression.
Die Arbeit fällt ihm enorm schwer, er schläft fast nur noch in seiner Freizeit und wenn er wach ist grübelt er nur. Die kleinste Aufregung bringt ihn fast um den Verstand und ich muss alles auf die Goldwaage legen, was ich ihm sage. Für eine Therapie hat er kein Geld, er holt sich aber auch nichst zum Aufhellen aus der Apotheke, irgendwas homöopathisches oder Johanniskraut, so wie ich es ihm schon mehrfach empfohlen habe.
Er sitzt da und sieht alles nur noch schwarz.
Dazu kommt ,glaube ich noch, dass ihn auch die Anforderungen, die an ihn hier in Deutschland zukommen würden (Leben, Arbeit, ich) in seiner Vorstellung total überfordern. Er denkt kein bisschen positiv mehr, hat keine Kraft zum kämpfen und hat sich und unsere gemeinsame Zukunft total aufgegeben.
Gott sei Dank will er mich mittlerweile nicht mehr vergessen und wir sind auch von seiner Seite her wieder 'zusammen' ,aber die Depression ist nicht zu übersehen.
Hoffentlich können Sie sich aus meinen Ausführungen ein Bild machen und mir helfen. Mir sagen, was ich tun kann, oder einfach nur Hilfestellung geben, damit ich ihn besser verstehe.
MfG ...
Hallo ... ,
Sie können hier vermutlich recht wenig tun. Wenn Ihr Freund nicht bereit ist, sich professionelle psychotherapeutische Hilfe zu holen, dann wird er mit großer Sicherheit so weitermachen wie bisher. Wenn Sie so mit ihm zusammensein wollen, dann ist das Ihre Entscheidung, aber ich glaube nicht, dass Sie damit glücklich sein werden.
Gruß Peter Thiel